Keylines und Agroforst gegen Wasserknappheit – Das grosse Wasser-Interview – Artikel vom 27. Juni 2025

Gestrandete Schiffe auf dem Untersee
Bild: Ennio Leanza (Keystone)

Text von www.derbund.ch:

Das grosse Wasser-Interview

«In der Schweiz tun wir immer noch so, als hätten wir Wasser im Überfluss»

Klimawandel, Agrarindustrie, verunreinigtes Grund­wasser: Unser Land steuert auf eine grundlegende Wasser­knappheit zu. Der Experte Klaus Lanz erklärt, was zu tun wäre.

…In welche Richtung müsste es denn Ihrer Meinung nach gehen?

In welche Richtung müsste es denn Ihrer Meinung nach gehen?

Die derzeitige Entwicklung hin zu wasserintensiven Obst- und Gemüsekulturen ist keine gute. Wir sollten im Gegenteil auf resiliente Kulturen setzen, die wenig oder keine Bewässerung benötigen. Gleichzeitig braucht es Methoden, um die Böden feuchter zu halten, eben etwa durch Keylines, aber auch durch Humusaufbau oder durch Agroforst, also durch das Pflanzen von Baumreihen auf Äckern.

Bäume machen einen Unterschied?

Ja, einen wesentlichen. Bäume binden mehr Wasser im Boden und bremsen mit ihrer Beschattung die Verdunstung. Schattenwurf und Bodenbedeckung haben überhaupt einen grossen Einfluss auf den Wasserhaushalt. So ist die Bodentemperatur einer ungemähten Wiese um mehrere Grad tiefer als die einer frisch gemähten Wiese. An sehr heissen Tagen können solche Unterschiede entscheidend sein. Bei über vierzig Grad an der Oberfläche kocht die oberste Bodenschicht aus, das Bodenleben kommt zum Erliegen. Übrigens: Alles, was gegen Trockenheit resilient macht, hilft auch gegen Starkniederschlag.

Wie das?

Ein guter, humusreicher Boden kann viel grössere Schwankungen im Feuchtigkeitsgehalt aushalten. Ein verdichteter, humusarmer Boden verliert bei Trockenheit schnell seine Ertragskraft. Und wenn es regnet, wird er weggeschwemmt, weil das Wasser nicht in den Boden eindringen kann.

Angenommen, Sie wären ein Bauer mit humusarmem Boden. Was würden Sie tun?

Humus lässt sich aufbauen. Indem man weniger pflügt, beispielsweise. Oder über die Fruchtfolge, etwa mit Hülsenfrüchten. Aber das sind grundsätzliche Änderungen, die über mehrere Jahre geschehen müssen. Hier ist die landwirtschaftliche Ausbildung gefragt, das stärker ins Bewusstsein zu bringen.

Die Landschaft in der Schweiz war ja einst viel feuchter. Dann hat man die Flüsse begradigt, Auen zerstört und die Böden trockengelegt.

Ja, unsere Böden sind voller Drainageröhren – fast überall hat man so die Landschaft entwässert. Das hatte auch seinen Sinn, weil manche Standorte im damaligen Klima zu feucht waren für Ackerbau. Aber heute sind die Röhren immer noch da und entziehen den Böden Wasser, das eigentlich dringend nötig wäre für den Anbau.

Was kann man dagegen tun?

Man muss die Röhren nicht ausgraben: Es reicht, ihren Ausfluss zu verschliessen, dann ist die Wirkung aufgehoben. Das wird auch zunehmend gemacht. Der Aargau hat ein Programm gestartet, um tausend Hektar trockengelegte Fläche wieder in einen natürlicheren, feuchteren Zustand zu versetzen. Das ist immerhin fast ein Prozent der Kantonsfläche. Allerdings gehen gegen solche Projekte immer gleich die Bauernverbände auf die Barrikaden.

Weil sie fürchten, fruchtbares Ackerland zu verlieren.

Ja. Aber nur, weil sie noch nicht erkannt haben, dass eine feuchtere Landschaft grundsätzlich auch der Landwirtschaft hilft. Wir stossen hier immer wieder auf das gleiche Problem: Ob es um die Wiederbefeuchtung von Mooren geht, um den Schutz von Grundwasserzonen oder um die Revitalisierung von Flüssen, immer gerät man mit der Landwirtschaft in Clinch. Die Schweiz ist das Land der Flächennutzungskonflikte. Und die Agrarlobby hat einen starken Trumpf in der Hand: Die Grösse der Fruchtfolgeflächen darf in der Schweiz insgesamt nicht kleiner werden.

Warum diese Regel?

Die geht letztlich auf den Zweiten Weltkrieg zurück, auf das Bestreben, möglichst viel zu produzieren. Das hatte mal seine Berechtigung. Aber heute führt der Zwang zur Erhaltung der Fruchtfolgeflächen dazu, dass es etwa mit der Revitalisierung der Flüsse kaum vorwärtsgeht. Da wird um jeden Quadratmeter geklagt. Ich finde, es braucht eine Neuabwägung. Ein Kompromiss könnte lauten: Wenn es aus Klima- oder anderen existenziellen Vorsorgegründen unvermeidlich ist, dürfen Fruchtfolgeflächen auch mal verloren gehen.

Was läuft schief?

Wir haben bereits einen bedeutenden Teil unseres Grundwassers durch Verschmutzung verloren. Es sind schlicht zu viele Chemikalien drin. Hier im Seeland ist der grösste Teil des Grundwassers nicht mehr nutzbar – allein in den letzten Jahren wurden fünf Trinkwasserfassungen stillgelegt.

Woher stammt die Verschmutzung?

Hauptsächlich aus der Landwirtschaft. Man findet vor allem Nitrat aus der Gülle sowie Pestizide und deren Abbauprodukte. Am verbreitetsten ist Trifluoracetat, kurz TFA – das ist eine dieser Ewigkeitschemikalien, die uns noch jahrzehntelang beschäftigen werden, weil sie sich nicht zersetzen.

Trotzdem brauchen wir eine starke Landwirtschaft. Mir ist schleierhaft, wie es möglich sein soll, bald zehn Milliarden Menschen zu ernähren, ohne dass die natürlichen Kreisläufe Schaden nehmen. 

Ich glaube, das wäre problemlos möglich. Unsere Wirtschaftsweise ist unfassbar ineffizient und zerstörerisch. Global wird achtzig Prozent der landwirtschaftlichen Fläche für die tierische Produktion eingesetzt, obwohl diese nicht mal fünfzehn Prozent des Energiewerts der menschlichen Ernährung liefert. Der Spielraum ist riesig! Es gibt genug Platz für eine nachhaltigere, naturnähere Landwirtschaft.

Auch in der Schweiz verbrauchen wir sechzig Prozent des Ackerlands für Tierfutter. Würde man stattdessen vermehrt Getreide oder Hülsenfrüchte für Menschen anbauen, könnte man die Ernährungssicherheit massiv verbessern – und gleichzeitig die Belastung von Natur und Wasser senken. Man denke auch an die Gülle, die durch die überdimensionierte Viehwirtschaft erzeugt wird. Schon heute müssen deswegen in der Schweiz vier Seen künstlich belüftet werden. Das nimmt die Öffentlichkeit einfach hin.

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